Heutzutage will alles gekauft und gut gefunden werden, heutzutage bettelt alles und jeder um Aufmerksamkeit, heutzutage will jeder alles irgendwie zu Geld machen. Kein Wunder, dass man fast nur noch satt kennt. Kein Wunder, dass man sich mittlerweile lieber genervt abwendet anstatt interessiert die Ohren zu spitzen. Dennoch; es gibt Hoffnung. Denn seit Montag winkt in diesem Moloch aus Nichtssagendem ein Kind aus Erfurt: Dissythekid. Die Freunde darüber ist groß; auch in unserer Redaktion. Was er in seinen Händen hält? Seine Pestizid EP. Download. Auspacken. Play.
Pestizid. Musikalisch ein Brett, eine Bombe, die nicht lange zappelt, sondern einfach auf den roten Knopf einhaut; immer und immer wieder. Ob Deutschrap mit solchen Beats warm wird? Eher nicht. Mit solchen Beats läuft die ganze Rapgeschichte knüppelheiß aka da kommt zusammen, was sich mag und schätzt. Pestizid. Endlich ein Album, was nicht von hohen Bühnen, sondern in unserer Sprache zu uns spricht und neben uns auf Augenhöhe Platz nimmt. Keine krampfhaft-übertriebene Selbstliebe, kein ewiges ‚Besser-als-die-Anderen‘. Stattdessen einfach Rap. Ehrlich. Direkt und derbe dreckig. Endlich. Pestizid. Treffende Momentaufnahmen gesellschaftlicher Entwicklungen und Irrwege. Alle kriegen sie ihr Fett weg; zu Recht. TV, Internet & Co – alles Trash, der unsere Köpfe flutet und verstopft. Selbstironisch und dennoch zielgenau zieht er die Widersprüche aus dem hier und jetzt ans Tageslicht: „Wir versinken in der Flut aber wir bauen kein Floß, wir bleiben hocken auf nem knallroten Gummiboot. Demonstrieren heißt posten auf Internetseiten oder Titten zu zeigen bitte schreib ‚Free Pussy Riot‘. Nur weil du lächelnd vorbei gehst, so als wärst du auf Teilchen find ich die Welt noch nich geiler […]“! Freizeit wird Arbeit; und damit zur Pflicht („Verfolg die Regeln dieser Generation bei dem Versuch sich zu feiern, kriegt man das Burnout-Syndrom“). Ändern und kaputtschlagen wollen wir daran nix. Noch nicht mal die Sachen, die uns kaputt machen: „Die Tür steht offen von meinem goldenen Käfig, doch wir gehn‘ nicht weg von hier und rebellieren so hobbymäßig […]“. Pestizid. Ein Album, was erkennt, dass wir zwar von Lethargie umgeben („Sag mir bitte, dass sich, was ändern muss doch du sagt ‚leider geil‘“) ihr aber nicht schutzlos ausgeliefert sind. Hoffnung und Entschlossenheit ziehen durch die Zeilen, wie Demonstranten durch kaputte Städte. Pestizid. Eine EP, die jede Minute wert ist, die man mit ihr verbringt. Eine EP, die die Dauerschleife, das übertriebene Abgehen im Club aber auch das genaue Zuhören mehr als verdient hat.
Zieht euch Pestizid und füttert Eure Boxen und Ohren damit.
@Dissythekid: Danke!
YO!
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